Gerinnerauigkeit

Bewertung der Gerinnerauigkeit mit hochauflösenden UAV-basierten Höhenmodellen

Neben Längs- und Querprofilen, dem hydraulischen Radius oder der Böschungsneigung, ist auch die Gerinnerauigkeit eine zentrale Eigenschaft des Gerinnes. Unter der Rauigkeit werden alle Oberflächenelemente zusammengefasst, die Abflusswiderstände darstellen. Sie ist eine der Steuergrößen des Abflusses im Gewässerbett und wird entsprechend in hydraulischen Modellierungen berücksichtigt. Zudem dient sie als Kriterium bei der Beurteilung der Hydromorphologie eines Gewässers. Außerdem kann anhand der Rauigkeit auch der Bedarf an Gewässerunterhaltungsmaßnahmen ermittelt werden. In der gängigen Praxis wird die Rauigkeit durch Zuweisung von Strickler- (k st) oder Manning-Beiwerten (n) bewertet. Einfache Herangehensweisen unterscheiden bezüglich der Rauigkeit lediglich zwischen Gerinne, Böschung und Vorland und weisen jeweils einen gemittelten Rauigkeitswert zu. Maßgebende Information ist hierbei der morphologische Gewässertyp, z. B. sandgeprägter Tieflandbach, verkrautete Bäche oder Bäche mit gepflasterter Sohle. Bei naturnahen, unverbauten Fließgewässern ist der Rauigkeitswert stark abhängig vom Grad der Verkrautung und wird in der Literatur zwischen 35 und 10 eingeordnet. Handelt es sich um kleine Fließgewässer mit geringer Querschnittsfläche, hat die durch die Pflanzen hervorgerufene Rauigkeit eine enorme Bedeutung auf das Abflussgeschehen, weshalb hier eine möglichst präzise Abschätzung der Rauigkeit von Vorteil wäre. Neben der Gerinnerauigkeit werden in der Wasserwirtschaft auch Rauigkeitsberechnungen für das Gewässervorland, das gesamte Einzugsgebiet oder für Sohlsubstrate angestellt.

Wie bei nahezu allen gewässerspezifischen Parametern erreicht man die präziseste Bewertung der Gerinnerauigkeit durch Messungen direkt vor Ort. Für die Rauigkeitsbestimmung längerer Gerinneabschnitte oder mehrerer Erfassungsstandorte ist die Umsetzung auf Basis von Fernerkundungsdaten (Sonar, Drohnen (UAV), Luftbildern, Laserscanning) wirtschaftlich sinnvoller. Für kleine Fließgewässer mit niedrigen Wasserständen kann die Rauigkeit durch digitale Oberflächenmodelle mit hoher räumlicher Auflösung (< 10 cm) abgebildet werden. Sofern es die Wind-, Licht- und Vegetationsbedingungen (offenes, baumfreies Gelände) zulassen, sind UAV hier mittlerweile das geeignete Aufnahmeverfahren. Zunächst werden Luftaufnahmen des Gerinnes mit einer RGB-Kamera erstellt. Ein hoher Überlappungsgrad bestenfalls ca. 80 % ist für die später Bildprozessierung wichtig. Aus den Einzelaufnahmen können dann Orthofotos und Oberflächenmodelle generiert werden. In diesen Oberflächenmodellen können dann rauigkeitsbestimmende Elemente (z. B. Grasbewuchs, Gehölz, Steine oder Sandbänke) an der Böschung und im Gerinne erkannt werden. In detaillierten Aufnahmen ist sogar die Bestimmung des Rauigkeitseinflusses durch das Sohlsubstrat möglich. Ggf. besitzen auch Oberflächenmodelle aus flugzeuggestützten Laserscan-Aufnahmen die notwendige räumliche Punktdichte für Abschätzungen der Gerinnerauigkeit.

Für die Bestimmung der Rauigkeit anhand von digitalen Oberflächenmodellen existieren verschiedenen GIS-Funktionen. Sie gehören alle zur Gruppe fokaler Funktionen, da sie die Rauhigkeit anhand mehrerer benachbarter Rasterzellen bewerten. Demzufolge muss in einem Funktionsargument der Radius festgelegt werden, der die Nachbarschaftsausdehnung definiert. Die Wahl des Radius sollte der Anwender je nach Rasterauflösung und den rauigkeitswirksamen Objektgrößen treffen. Die GIS-Funktion zur Quantifizierung der Rauigkeit die in diesem Beitrag angewendet wird (SAGA GIS Modul Vector Ruggedness Measure), basiert auf der Kalkulation eines zellenspezifischen Rauigkeitsvektors. Der Algorithmus beurteilt die Rauigkeit nicht alleine aufgrund Geländeneigung, sondern anhand der Heterogenität bezüglich Neigungsrichtung und -stärke innerhalb der Nachbarschaft. Er eignet sich daher als standardisierte Methodik für den Vergleich von Berg- und Tieflandbächen. Die Funktion enthält neben dem Radius zusätzliche Einstellmöglichkeiten für die Rauigkeitsberechnung (Weighting).
-ELEVATION: Eingabe Geländemodell
-VECTOR TERRAIN RUGGEDNESS (VRM): Ausgabe Rauigkeitsraster [create]
-RADIUS: Definition der Nachbarschaft [2]
-WEIGHTING: 4 parameters [Standardeinstellungen]

Effekt der Radiuseinstellung auf die Berechnung von Rauigkeiten eines mäßig verkrauteten Gerinnes auf Grundlage eines UAV-basierten Oberflächenmodells.
Effekt der Radiuseinstellung auf die Berechnung von Rauigkeiten eines mäßig verkrauteten Gerinnes auf Grundlage eines UAV-basierten Oberflächenmodells.

Die Rauigkeitsberechnung auf Grundlage eines Höhen- oder Oberflächenmodells befähigt Planer zur objektiven Einschätzung der Gerinnerauigkeit und zur Differenzierung von Rauigkeiten innerhalb eines Gerinnetyps. Dies gilt gerade für verkrautete Bereiche, für welche die Wahl eines geeigneten Beiwerts oft nicht trivial ist. Die Rauigkeitsbewertung kann entlang eines beliebig langen Gewässerabschnitts erfolgen, sofern geeignete Datensätze vorliegen. Für die Verwendung der ermittelten Rauigkeitswerte in hydraulischen Modellen ist eine Transformation in die üblichen Wertintervalle der Rauigkeitsparameter erforderlich. Durch Normalisierung oder Regression lassen sich die VRM-Rauigkeitswerte in Strickler-Beiwerte annähern bzw. umrechnen. Voraussetzung für fundierte Ergebnisse ist die punktelle Aufnahme von möglichst realitätsnahen Beiwerten im Gerinne (Referenzwerten), die sich schließlich mathematisch mit den VRM-Rauigkeitswerten in Beziehung setzen lassen. Selbstverständlich ist die Einbeziehung zusätzliche Informationen bei der Rauigkeitsbewertung möglich. So können anhand von Orthofotos Rauigkeitselemente unterschiedenen werden (z. B. Vegetation und Kies) und mit einem individuellen Gewichtungsfaktor versehen werden. Zudem ist die Eingruppierung der Werte in diskrete Rauigkeitsklassen zugunsten übersichtlicher Visualisierungen und als Grundlage für Planungsmaßnahmen zweckmäßig.

Reskalierung von VRM-Rauigkeitswerten in Strickler-Beiwerte durch Normalisierung. Der gemittelte Strickler-Beiwert für den gezeigten Ausschnitt liegt bei 26.
Reskalierung von VRM-Rauigkeitswerten in Strickler-Beiwerte durch Normalisierung. Der gemittelte Strickler-Beiwert für den gezeigten Ausschnitt liegt bei 26.