Welche Landschaftsstrukturmaße eignen sich zur Bewertung von Fließgewässern?
Länge und Sinuosität (Verhältnis von Fließlänge zu Luftlinie zwischen Quelle und Mündung eines Gewässers) sind klassische gestaltbeschreibende Merkmale von Fließgewässern. Durch die Verwendung von Landschaftsstrukturmaßen, eröffnen sich weitere Möglichkeiten Eigenschaften von Gewässern hervorzuheben. Darüber hinaus lassen sich Gewässer mit Hilfe dieser Maßzahlen eindeutiger klassifizieren als über einfache Kennwerte. Ebenso ist die Ableitung von Maßnahmen am Gewässer oder deren Wirkungsbeurteilung ein mögliches Anwendungsgebiet von Strukturmaßen. Aufgrund des großen Pools an verschiedenartigen und häufig auch korrelierenden Strukturmaßen ist die nähere Betrachtung einiger geeigneter Kennwerte sinnvoll. Viele Strukturmaße eignen sich eher für flächige Objekte, weshalb bei der Beurteilung linienförmiger Landschaftselemente stets mehrere Maße angegeben werden sollten.
Als Testobjekte dienen Teile des festländischen Gewässernetzes von Ecuador (Datenquelle: diva-gis.org). Anhand von 14 Fließgewässern werden die Ausprägungen von einigen Strukturmaßen aufgezeigt. Bei der Berechnung entsprechender Kennwerte mit der Standard-Software Fragstats wird mit Rasterformaten gearbeitet.
Deutlich den größten Anteil, die größte Dominanz, hat der Rio Curaray. Das Flächenanteilsmaß Percentage of Landscape (PLAND) gibt den prozentualen Anteil des Fließgewässers an der Gesamtfläche aller betrachteten Fließgewässer an. Der Rio Curaray besitzt bereits optisch die größte Uferlänge was durch den Kennwert Total Edge (TE) bestätigt wird. Ufer als Grenzbereiche zwischen Gewässer und benachbarter Landnutzung stellen besondere Räume hinsichtlich biotischen und abiotischen Eigenschaften dar. Der Kennwert Edge Density (ED) ist bei der Betrachtung von linienförmigen Landschaftsobjekten äquivalent zu PLAND, wird aber durch eine alternative Einheit (Kantenlänge (m) pro Hektar) quantifiziert. Er wird relativ zur Gesamtfläche aller betrachteten Fließgewässer im Landschaftsausschnitt bemessen.
Die Gestalt von Fließgewässern kann mittels der Formparameter Shape Index (SHAPE) und Fractal Dimension (FD) quantitativ beschrieben werden. Der häufig in anderen Kontexten verwendete Shape Index beschreibt die Komplexität von Landschaftselementen und quantifiziert die Formabweichung im Vergleich zu einem Quadrat. Der Wert ist min. 1 und steigt mit zunehmender Irregularität. Bei Fließgewässern ist der Shape Index maßgeblich abhängig von der Länge und Mäandrierung. FD wird ebenfalls als Maß für die Komplexität des Gewässers eingesetzt. Im Gegensatz zum Shape Index liegt der Wertebereich hier zwischen 1 (einfachste Form) und 2 (komplexeste Form) und ist daher gut geeignet für Vergleiche mit anderen Gewässern.
Weiterhin ist die Formbewertung anhand des kleinstmöglichen Umkreises (CIRCLE) denkbar. Der CIRCLE-Wert nimmt Werte zwischen 0 und 1 an. Gegen 0 geht er bei kreisförmigen Objekten. Je höher der Wert, desto linearer und schmaler ist das Landschaftsobjekt. Gerade bei der quantitativen Charakterisierung von Stand- und Fließgewässern, sowie Übergängen (Aufweitungen, Talsperren, …) erweist sich der Kennwert als nützlich.
Vor allem bei flächenhaften Objekten entfalten Strukturmaße zur Bewertung der Gewässergestalt ihre größte Aussagekraft. Im unten gezeigten Beispiel wird die Aufweitung eines anthropogen überprägten Gewässerabschnitts gezeigt. Hier wird nicht der Gewässerlauf selbst, sondern der aufgeweitete Vorlandbereich betrachtet. Während die Flächengröße mit der Aufweitung zunimmt, reduziert sich die Komplexität. Die Kantenlänge verlängert sich nach der ersten Aufweitung, doch die zweite Aufweitung führt nahezu keine Veränderung herbei. Die Abnahme des CIRCLE-Kennwertes spiegelt wider, wie stark die Maßnahme der linearen Vorlandgestaltung entgegengewirkt.